Landshuter Zeitung (26.9.1876)
München, 28. Septbr. Vor dem k. Bezirsgerichte München stand heute der Pfarrer Carl Scherbauer von Sauerlach, angeklagt zweier Verbrechen gegen die Sittlichkeit, begangen an der 16jährigen Schuhmacherstochter Ursula Andrä und der 12jährigen Gütlerstochter Katharina Bortenlänger von dort. Die Verhandlung fand bei beschränkter Oeffentlichkeit statt. Der Angeklagte gestand tief ergriffen, beschämt und mit sichtlicher aufrichtiger Reue seine Schuld ein, welche in der Vornahme unzüchtiger Handlungen mit den genannten beiden Mädchen besteht, die er unter verschiedenen Vorwänden einigemal auf sein Wohnzimmer hatte kommen lassen und worüber unter der Sauerlacher Bewohnerschaft schon seit einem halben Jahre Gerüchte umliefen, welche den Bürgermeister aus Besorgniß, daß es leicht zu einem nächtlichen Unfug gegen den Pfarrer kommen könnte, veranlaßten, den Gendarmeriekommandanten der Station Sauerlach zur Anzeige aufzufordern. Die k. Staatsbehörde hob bei Begründung der Anklage besonders hervor, daß in vorliegendem Falle wohl auf das höchste Strafmaß zu erkennen sei, indem es sich hier um einen Mann handle, welcher als Priester und Seelsorger vor Allem berufen sei, die Jugend zur Sittlichkeit anzuhalten und statt dessen sich an derselben so schwer verfehlt habe. Der Verteidiger, Hr. Accessist Angstwurm, suchte mit seiner bekannten Beredsamkeit die Schuld seines Clienten möglichst zu mildern, und den Gerichtshof zur Annahme mildernder Umstände zu bewegen, worauf letzterer jedoch nicht einging und den Pfarrer Scherbauer zu einer Zuchthausstrafe von 4 Jahren und 5jährigen Ehrenverlust verurtheilte. Der Staatsanwalt hatte 5 Jahre Zuchthaus und 10jährigen Ehrenverlust beantragt.
Landshuter Zeitung Nr. 222. Dienstag, den 26. September 1876.