Die gemeine Geldgier bethätigt sich überall in einer Weise, die schmachvoll genannt werden muß. Ohne Kartenspiel ist bei Vielen der Tag ein verlorener. Man kann hier kaum ein öffentliches Lokal betreten, ohne ganze Gruppen Spieler zu bemerken, die dem Herrgott den Tag abstehlen. Vielfach beruht ja das Spiel dieser Leute nur auf geringen Einsätzen, immerhin sind aber auch kleine Verluste, zumal wenn sie sich wiederholen, nicht ohne wirthschaftliche Nachtheile für den Verlustträger. Von der verdummenden Wirkung des Spieles wollen wir gar nicht reden, da viele Spieler absolut nicht mehr dümmer werden könnten, als sie schon von zu Hause aus sind. Die Leidenschaft des Spielers begnügt sich aber vielfach nicht mit kleinen Einsätzen und einem anständigen Spiele. Es muß Hazard gespielt werden und da man das nicht überall kann, so muß nach Lokalen geforscht werden, in welchen diese Lumperei gestattet wird. Solche Lokale gibt es hier genug. Das Café Neumayer am Viktualienmarkt zählte ebenfalls zu denselben. Tagtäglich fanden sich in dieser Spielhölle spielwüthige Gesellen ein, die dem gemeinen Laster des Hazardspiels fröhnten. Der Wirth duldete das Spiel trotz öfterer Verwarnung seitens der Polizeiorgane. Gelegentlich eines solchen Raubspieles wurde, wie erinnerlich sein wird, sogar ein Spieler von einem Andern schier erstochen. Endlich kam der Wirth wegen Duldung des Hazardspiels zur Anzeige und wurde kürzlich auch nach Gebühr zu einer Geldstrafe von 100 Mk. verdonnert. Ob jetzt die Spielhölle in diesem Café aufgehört hat ist fraglich. Das Spielgesindel braucht ja Lokale und wird ihm dieses Lokal verschlossen, so sucht es sich ein anderes, das ist die nächste Folge. Ein Wirth soll besser darnach trachten, daß er anständige Gäste in sein Lokal bekommt, dann kann er auf diese nichtsnutzige Bande verzichten.
Münchener Ratsch-Kathl No. 65. Samstag, den 13. August 1898.