Kriminalität

Der Scharfrichter von München (7)

(Schluß.)

Begabt mit dem gesündesten Appetit von der Welt, der durch die Gedankenqualen eines bevorstehenden Lebensendes und die gewaltsame grasse Weise desselben nicht im Mindesten gestört wurde, verspeiste er alle Gattungen von Braten, Geflügel, Fische, feine Gemüse, gute Saucen u. s. w., ganz nach Art eines gewiegten Gourmands, dazu trank er Bier oder Wein, Morgens, Nachmittags und Abends Caffee, Chocolade und Thee, wozu er feine Cigarren rauchte und die Zwischenzeit mit der Einnahme von Schinken, kaltem Braten, Lionerwurst und andern Delikatessen ausfüllte. Die Auflage eines jeden Gerichtes wurde erneuert, der Joseph fraß sich, wie der Eisenmeister treffend bemerkte, buchstäblich in’s Jenseits hinüber. Kaum noch eine Stunde vor der Hinrichtung genoß er Kaffee und Wein mit dem exquisiten Appetit eines gesunden Feinschmeckers, und Scheller behauptete, noch nie einen gleichgiltigeren und abgestumpftern Delinquenten unters Schwert bekommen zu haben, als Joseph Busch gewesen war. Sogar die Taschen seiner Kleider waren mit Ueberresten von Backwerken und sonstigen Naschwaaren angefüllt; Essen und Trinken war in diesen drei furchtbaren Tagen seine Beschäftigung, Unterhaltung und Zerstreuung gewesen, die er spät Nachts sogar auf seinem Ruhelager fortsetzte. Bis zum letzten Momente ließ er weder Lustigkeit noch Traurigkeit verspüren, seine Lethargie nahm er mit auf den Köpfstuhl. Auf den Armensünder-Wagen gebracht, erschlaffte er successive geistig und körperlich und glich endlich auf’s Schaffot geschleppt mehr einem betrunkenen als von Todesängsten niedergeschmetterten Verbrecher.

Ein anderer Mordgeselle, Namens Engelsberger, welcher am 29. August 1858 zu Augsburg auf dem Schaffote unterm Fallschwert endete, wurde von mitleidigen Seelen u. A. während seiner 3tägigen Gnadenfrist mit verschiedenen Speisen, die er sich wohl schmecken ließ, darunter ein großer wohlgeratener Käskuchen, seine Lieblings-Delikatesse, bedacht.

Während Engelsberger diesen tranchirte, rannen ihm die hellen Zähren über die Wangen, und der anwesende Gendarm wunderte sich, wie der Verurtheilte bei solcher Gemüthsstimmung überhaupt animirt sein könne, so tapfer einzuhauen, wie es den Anschein hatte.

Er glaubte ihn daher trösten zu sollen, umsomehr, als Engelsberger, sowohl während der Untersuchungshaft, als in den drei letzten Tagen seinem Namen durchaus keine Unehre machte, und befragte ihn somit, warum er so fürchterlich weine, er möchte sich sein Schicksal nicht gar so sehr zu Herzen nehmen, da er doch nichts mehr ändern könne, er solle sein Verbrechen nur aufrichtig bereuen und die Todesstrafe geduldig erleiden, so werde ihn unser Herrgott auch nicht im Stiche lassen.

Endlich hielt derselbe mit der Vernichtung des Kuchens unter seinen Zähren inne, blickte den Gendarm verwundert an, wischte sich die Thränen aus den Augen und ergänzte: »Na, na döswegen woan i net, sondern aus purer Freud, weil mir die Leut so an guaten Kaskuch’n g’schickt ha’m, der alleweil mein Leibspeis g’west is,« – dann setzte er seine Mahlzeit fort, bis alles gar war.

Diese Momente mögen hinreichen, um zu beweisen, zu welcher Qualität Menschen man zählen muß, um fähig zu sein, ein »Nachrichter« zu werden.