Kriminalität

Der Scharfrichter von München (5)

(Fortsetzung.)

Die beiden Pastoren, sagt Scheller, hatten vollauf zu thun, die in den letzten Stunden der Verzweiflung nahe gekommene Verbrecherin einigermaßen zu trösten. Ein heftiger Lebensdrang bemächtigte sich der, dem bevorstehenden gewaltsamen Tode entgegenathmenden Delinquentin, sie konnte den Gedanken an’s Sterben nimmer fassen und umklammerte in solchen Anfällen jeden Gegenstand, den sie erreichen konnte. Dabei erging sich die Hager in den kläglichen Ausrufen und Jammergeschrei: »Mit gesundem Leib sterben zu sollen ist zu hart.« »Herr des Lebens wie wird’s mir drüben ergehen, darf ich keine Begnadigung vom König oder von der Königin hoffen? Sie sind so gut und menschlich.« Wenn sie meine Todesangst kennten, auf dem Blutgerüste zu sterben ist schrecklich u. s. w. Ihren bloßen Hals befühlte sie des Tages und in der Nacht vor ihrem Tode wohl hundert mal, auch in Gegenwart des Nachrichters und seines Gehilfen und fragte diesen: »Da wird er also durchgeschnitten, Herr Scharfrichter?« »Machen Sie es nur recht, lieber Herr!« Ein Andermal hatte sie den Eisenmeister gefragt: Ob er glaube, daß der Herr mit dem blonden Lockenkopf und dem rothen Gesicht (Scheller) sie gut richten und nicht schinden werde, und ob es wahr sei, daß der Scharfrichter Blut trinken müsse.« Blut trinkt der Scharfrichter nicht, aber zuweilen ein paar Schoppen guten Rothwein, und was das Köpfen betrifft, so kümmere dich nicht um das; dich Anna, köpft der Lorenz auf den ersten Hieb, du bist ja nicht sein Probirstückl,« tröstete der Eisenmeister mit Lachen, »einen so geschmeidigen runden Frauenhals wie den deinigen haut er wie ein Butterweckel durch.«

Auf der Fahrt zum Schaffot verhielt sie sich ziemlich ruhig. Sie blickte mit großen weitgeöffneten Augen, aus denen die Angst vor der nahen Katastrophe blickte, auf die sie meist gefühllos begaffenden Menschengruppen. Ach dürfte ich doch unter Diesen stehen, seufzte sie, dann senkte sie das Haupt und Thräne auf Thräne benetzte einen schönen Blumenstrauß, den sie in ihren Händen hielt. Durch die Tröstungen der Pastoren etwas gefaßter, äußert sie: »Mein Gott auf dieser Welt ist alles nur Schein!« Vom Wagen mußte sie gehoben werden. Ihre erste Frage war nach dem Scharfrichter.

(Fortsetzung folgt.)