(Fortsetzung.)
Vordem wurden derlei Hinrichtungen mit einer grausamen Langsamkeit vollzogen. Sie begann mit ihren Formalitäten am frühen Morgen und endete meist erst gegen 11 Uhr des Vormittags. Im Schneckenzuge und mühevoll mußte sich der Armesünderwagen durch die mit Menschenmassen angefüllten Straßen und endlich durch eine aus 30–40,000 Schaulustigen bestehende Volksmenge arbeiten, bis er in’s weite Militärcarré gelangte. Im Stübchen des Schaffots fand die langweilige Toilette statt, dann schleppte man schließlich den Verbrecher die endlose Hühnertreppe hinauf, welche, um jede Steilheit zu vermeiden, eine Länge von mindestens 40 Fuß hatte. Diesen langen Weg mußte der Delinquent mit verbundenen Augen geführt werden, seine Hände hatte er unter der Brust gebunden und hinten an der Gürtelschnur befestigt; sofort auf den Stuhl gesetzt, ergriff der Spitzwürfel dessen Schopf, während ein zweiter Gehilfe eine Kette hinten im Gürtel des Verurtheilten einhakte, welche durch ein Loch im Podium des Schaffots ging, und an deren Ende ein schweres Gewicht angebracht war – hiedurch wurde der zu Richtende auf dem Stuhle festgehalten. Fast mit beiden Vorrichtungen zugleich schlug der Nachrichter das Haupt ab.
Diese Vorbereitungen am Stuhle waren eher als die des Fallschwerts beendet, allein jene Sicherheit, wie sie das Fallschwert darbietet, gewährte die Handhabung des Richtschwerts nie. Sie war immer dem Wechsel und Zufall unterworfen. Ferner köpfte jeder Scharfrichter auf andere Art. Hermann durchhieb den Wirbel und zog pfeilschnell das Schwert durch. Streich und Schnitt in einem Moment. Leimer hieb meist vollständig durch; Scheller führte seine Hiebe so gewuchtig, daß er sich dabei in halber Wendung drehte. Das damals gebrauchte Richtschwert ist über eine Elle lang, drei Zoll breit, zweischneidig und mit langem für zwei Hände berechneten Griff versehen. Nach Aussage der Scharfrichter hingen die gelungensten Streiche nicht allein von der Geschicklichkeit, sondern auch vom Zufall und Glück ab. Deßhalb baten die meisten Verurtheilten den Nachrichter bei seinen Besuchen um schonende Behandlung. So bat die bekannte Birnbaum den Scharfrichter Hermann: »Ach quälen Sie mich nicht lange, treffen Sie mich gut!« »Glauben Sie doch sicher genug zu sein?« Worauf dieser entgegnete: »Ich glaub’s und bin’s, verlassen Sie sich getrost darauf.« Die jetzige Hinrichtungsart ist für die anwesenden Zeugen weniger grauenhaft, als dies die öffentliche mit dem Schwerte in so hohem Grade war, und wurde Letztere durch den Umstand noch erhöht, daß während der langen, oft dreiviertelstündigen Rede der Geistlichen über das eben gesühnte Verbrechen der bluttriefende Rumpf, mit dem blassen Haupte zu Füßen, im Stuhle sitzend verblieb, sowie die hoch aufspritzende Blutfontaine nach dem Schwertstreich einen gräßlichen, unvergeßlichen Anblick gewährte.
Unter den vielen, zur Thodesstrafe Verurtheilten, welche Scheller seit seiner Amtirung enthauptete (es sind deren 17 mittelst Richtschwert, und 43 die durch das Fallschwert vom Leben zum Tode gebracht wurden) fand ein einziger Fall statt, in welchem die Hinrichtung ohne Beanspruchung der üblichen dreitägigen Gnadenfrist in den nächsten 24 Stunden verlangt und gewährt wurde. Solche Willensstärke und Todesverachtung legte die im Jahre 1853 wegen Gattenmords zu Bayreuth zur Todesstrafe mittelst des Schwertes, und dortselbst enthauptet wordene Anna Maria Hager von Neugattendorf, 44 Jahre alt, protestantischer Confession, eine hübsche, resolute Frau von angenehmem Aeußern, an den Tag. Diese seltsame Standhaftigkeit und Resignation schreibt Scheller lediglich den Einflüssen der ihr zur Tröstung beigegebenen Geistlichen zu. Wir wollen einiger Momente der letzten Stunden ihres Lebens hier Erwähnung thun. Je näher die Stunde der Hinrichtung herannahte, desto mehr soll Anna Maria unter Thränen die Nichtannahme der gesetzlich gestatteten dreitägigen Gnadenfrist bereut haben.
(Fortsetzung folgt)