(Fortsetzung.)
Allenthalben zeigen sich in seinem Häuschen und außerhalb desselben Spuren der Thätigkeit eines sorgsamen Familienvaters, Alles ist nach Kräften trotz der herrschenden Theuerung und der zur Verfügung stehenden bescheidenen Subsistenzmittel, sehr einfach, aber geordnet bestellt. Die Töchter sind wohl erzogene, fleißige Mädchen, der Knabe, nach Zeugniß seiner Elementarlehrer, einer der vordersten Schüler. Es berührt daher den Besucher in doppelter Beziehung angenehm, gerade von allen dem das Gegentheil zu finden und konstatiren zu können, was altgewöhntes Vorurtheil und Gehässigkeit auszubreiten suchen.
Schon im Jahre 1853 suchten die noch übrigen Scharfrichter von München, Amberg und Eichstädt behufs größerer Sicherheit bei Vollstreckung der Todesstrafe um Einführung einer Guillotine, ähnlich der zuerst in Sachsen eingeführten, dem von dem Dresdener Mechaniker Kleber konstruirten Fallschwerte, höhern Ortes nach. Diesem Gesuche wurde alsbald allerhöchst willfahren, und vorläufig für die nächsten Hinrichtungen zufolge Vereinbarung, die württembergische Guillotine entlehnt, gleichzeitig aber Mechanikus Mannhardt in München, mit der Construirung und sofortigen Verfertigung eines praktischen und sicheren Fallschwertes betraut. Dieser talentirte Maschinist löste seine Aufgabe vollständig durch Herstellung eines solchen Instruments, mittelst welchem nicht nur eine sehr sichere, sondern auch schnelle Enthauptungs-Manipulation erzielt wurde.
Der Delinquent ist jetzt doch wenigstens der höchst peinigenden Sorge, nebst den Todesängsten, wegen martervoller Wiederholung von falschen Schwerthieben, wie sie selbst dem geübtesten Nachrichter bei Enthauptungen mit dem Schwerte auf dem Stuhle nicht entgingen, enthoben. Hiebei glauben wir anführen zu sollen, daß Scheller dem Verfertiger in mehrfacher Beziehung zur Herstellung derselben wesentliche Dienste durch eigene Angaben und Erfahrungen leistete und somit Vieles zu deren Vereinfachung, schnellen und sichern Bewegung beitrug, so daß die Dauer der eigentlichen Hinrichtungsscene eine Minute nicht übersteigt.
Schon vor seiner im Jahre 1852 erfolgten Anstellung hatte Scheller seinem damals 64 Jahre alten Vater bei mehreren Executionen, wie zu Bayreuth, Straubing u. a. O. Aushilfe geleistet und seinen Meisterhieb gethan. Damals war er noch ein junger, aufgeregter Mann, der sich erst die Hörner abstoßen mußte.
Nunmehr ist Lorenz Scheller ein gesetzter Mann von 57 Jahren, unterhaltender Gesellschafter mit einnehmendem Aeußern, ebenmäßiger Statur, gesundem Aussehen, bartlos, mit blondem Haupthaar und ruhigem, aufrichtigen Blicke. Sein einfacher, gewählter Anzug, gepaart mit einem anständig sittlichen Benehmen, lassen aus seinem Exterieur keineswegs denjenigen Freimann schließen, wie ihn die immer rege Phantasie des Volkes sich häufig vormalt. Desgleichen müssen wir seinen Vorfahren Gerechtigkeit wiederfahren lassen.
So bekleidete z. B. sein Großvater Joseph Scheller das Amt eines Nachrichters und Gemeinebevollmächtigten zu Eichstädt, war dort Bürger und gesuchter Thierarzt. In ähnlichen Verhältnissen soll der jetzige Scharfrichter von Speyer stehen. Ersterer genoß in Eichstädt die allgemeine Achtung seiner Mitbürger. Münchens Scharfrichter hatte auch vor mehreren Jahren eine Krämerei etablirt, und mit allem Comfort versehen; am Vorurtheile und dem blöden Aberglauben des Publikums scheiterte jedoch sein Unternehmen, mit welchem er sich zu seinem geringen Gehalte einen kleinen Nebensverdienst verschaffen wollte. Man beschuldigte ihn unter anderm der Vornahme heimlicher Hinrichtungen, welche in einem Gewölbe der Frohnfeste sehr häufig stattfänden, eine Beschäftigung, die mit seinem Krämergeschäfte nicht vereinbar wäre, und sogar beim Miethen seiner Wohnungen wurden ihm fortwährend die absurdesten Hindernisse in den Weg gelegt, bis er endlich solch ungerechtfertigter Begegnungen überdrüssig, um eine Dienstwohnung nachsuchte und diese selbstverständlich auch bereitwilligst erhielt.
Wir vermögen in Schellers Handlungen in keiner Beziehung die grelle Dienstesüberschreitung zu erkennen, wie sie der Nürnberger Corresp. hinzustellen sich ereifert. Jedem Nachrichter muß fürs Erste daran gelegen sein, über Schuld oder Nichtschuld des Delinquenten, der durch seine Hände den Tod als Verbrechenslohn empfangen soll, eine gewisse Ueberzeugung zu haben, eine untrügliche Gewißheit darüber, ob er einen Schuldigen oder Unschuldigen hinzurichten im Begriff stehe, was ihm nicht gleichgiltig sein kann und darf, da er sich in letzterem Falle zum indirekten Helfershelfer eines Justizmordes hergeben würde; für’s Zweite, daß derselbe mit Gott und Welt ausgesöhnt, womöglich in reumüthigem Zustande durch ihn vom Leben zum Tode befördert werde. Jedem nicht gänzlich entmenschten, in Folge zahlreicher Uebungen seines blutigen Amtes, abgestumpften Nachrichter, wird das peinliche Gegentheil hievon, wie es bei Marchner sen. bis zum letzten Morgen stattfand, herzlich bekümmern, oder doch mindestens höchst widerwärtig sein. Dies dürfte aber, in Berücksichtigung der bekannten, religiösen Gemüths- und Sinnes-Richtung Schellers, um so verzeihlicher erscheinen, als derselbe bisher bei seinen zahlreichen Executionen, grundsätzlich, kein ihm gesetzlich erlaubtes Mittel, an den ihm schließlich von der Vollzugs-Commission überantworteten Delinquenten, zur Erlangung deren Schuldbekenntnisse und Bereuung, unversucht ließ.
(Forts. folgt.)